Integration oder «Splendid Isolation»? Thomas Borer über die Zukunft der Schweiz in Europa
Anlässlich des IBM Financial Analytics Summit 2013 in Zürich hält Dr. Thomas Borer eine Keynote, in der er den Weg der EU vom Optimismus nach dem Kalten Krieg hin zu tiefgreifenden Strukturproblemen nachzeichnet. Er argumentiert, dass eine schlankere, wettbewerbsfähigere Eurozone sowohl Europa als auch der Schweiz zugutekommen würde, und fordert zudem eine proaktive Schweizer Aussenpolitik, die bilaterale Abkommen mit der EU vertieft und weltweit Freihandelsabkommen sichert.
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Integration oder «Splendid Isolation»? Die Zukunft der Schweiz in Europa
Einleitung
Wir sind uns nicht bewusst, in welch spannender Zeit wir leben und wie beschleunigt politische und wirtschaftliche Geschichte vor unseren Augen abläuft. Ein Mensch, der im Mittelalter geboren wurde, erlebte in seinem Umfeld kaum politische, kulturelle, technische, medizinische Veränderungen. Er starb in der fast gleichen Welt, in der er geboren wurde. Heute laufen vor unseren Augen tektonische Verschiebungen im Schnellzugtempo ab – das Leben ist ungeheuer spannend und sehr anforderungsreich. Überlegen Sie sich mal: es ist noch keine 20 Jahre her, da konnten Sie einen ganzen Tag ausserhalb des Büros unterwegs sein und niemand konnte Sie erreichen. Und wenn Sie Nachrichten hören wollten, brauchten Sie ein Radio und auch dort wurden Sie nur zu festen Zeiten informiert. Nur gerade mal 327 Tage lagen zwischen dem Fall der Berliner Mauer und der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. Heute wird Geschichte im Zeitraffer geschrieben. Und daher kann auch der Blick auf unser heutiges Thema der Zukunft der Schweiz in Europa – Integration oder „Splendid Isolation“ nur ein momentaner sein. Dazu möchte ich:
1. Auf die Situation und die Herausforderungen der EU eingehen
2. Die Rolle der Schweiz innerhalb Europas kritisch analysieren
3. Und eine Prognose zur Zukunft wagen: Wie geht es weiter mit der Schweiz (und Europa)
Der Mauerfall – Startschuss für ein vereintes Europa
Das Ende des Kalten Krieges bildete zusammen mit technologischen Entwicklungen und der dramatischen Verringerung der Transportkosten auch den Auftakt und die Voraussetzung zur Globalisierung. Und vor unseren Augen läuft der – scheinbar unaufhaltsame – Aufstieg neuer Mächte ab. China, Indien, Brasilien, und dahinter noch weniger offensichtlich Indonesien, Vietnam, andere lateinamerikanische und bald vielleicht afrikanischer Länder. Und gleichzeitig scheinen die USA und Europa abzusteigen. Ob dies alles so linear ablaufen wird, wie manche vorhersagen, bezweifle ich. Aber sicherlich wird die Welt nicht mehr alleine westlich dominiert. Organisationen wie die G-8 oder der UNO-Sicherheitsrat mit den fünf Vetomächten widerspiegeln nicht mehr die realen Machtverhältnissen und sind überholt. Die europäische Union versuchte nach 1989 auf diese Dynamik zu antworten – vor allem mit französischen Rezepten. Denn die EU ist tief französisch geprägt: Zentralisierung, Erweiterung und Bürokratie. „Wir sind ein Volk“, dieses Credo sollte schon bald auf europäischer Ebene gelten. So hofften zumindest die EU-Euphoriker. Und in der Tat: Das schöne Gefühl „Wir sind alle Europäer“ beschwingte und einte anfangs die so verschiedenen Volksseelen der EU-Bürger Einige führende Politiker und EU-Bürokraten wollten die Vereinigten Staaten von Europa und sie wollten es schnell. Länder, von denen der normale Zentraleuropäer nicht einmal wusste, wo sie geografisch liegen, wurden nahezu in Lichtgeschwindigkeit in die Gemeinschaft aufgenommen, ohne dass sie in Brüssel ausreichend auf ihre Beitrittstauglichkeit geprüft wurden. Kritische Stimmen wurden überhört oder mit dem Todschlag-Argument „Die EU sichere den Frieden in Europa“ überfahren. Europäisierung um der Europäisierung willen. Hier hat eine von Europaromantik getriebene und viel zu schnelle Überexpansion stattgefunden. Mit der Gründung der Währungsunion durch den Vertrag von Maastricht 1992 verabschiedeten sich viele Länder von ihren Währungen. Die Währungsunion sollte die europäische Erfolgsgeschichte vollenden. Und mit dieser Währung und der raschen Erweiterung wurde die Saat für die heutigen grossen Probleme der Union gelegt. „Nichts sagt so deutlich, aus welchem Holz ein Volk geschnitzt ist, wie das, was es währungspolitisch tut“ hat Joseph Schumpeter, einer der grossen Ökonomen des letzten Jahrhunderts einst über die unterschiedlichen Auffassung zu Geld und Währung in Europa gesagt. Die Stabilitätskultur der Deutschen Bundesbank sollte die gemeinsame Überzeugung aller europäischen Zentralbanken und Regierungen werden.
Jenseits der Euphorie
Nur ein knappes Vierteljahrhundert danach ist die Euphorie der europäischen Integration verpufft. Selbst gross angelegte Werbekampagnen wie „Wir sind Europa“, die noch vor einiger Zeit zur Prime Time über deutsche TV-Bildschirme flimmerten und an den europäischen Grundgedanken erinnerten, vermochten das einst selig machende Gefühl der Europäischen Einheit nicht wiederauferstehen zu lassen. Schon keimt in vielen Mitgliedsstaaten die Überzeugung, man sei vor der Einführung des Euro besser dran gewesen. In den Ländern Südeuropas wachsen die Ressentiments gegenüber Nordeuropa und vor allem gegen Deutschland, welches für die unpopulären Sparprogramme und die damit verbundenen Einschnitten, wie Entlassungen und Budgetkürzungen verantwortlich gemacht wird. Intellektuelle und prominente Bürger Portugals schrieben in einem offenen Brief an ihre Regierung, dass sie die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, nicht in ihrem Land sehen wollen. Und wir erinnern uns auch an das riesige Polizeiaufgebot, das grösste dass Athen je gesehen hat, zur Absicherung des Staatsbesuchs Merkels. Auf der anderen Seite steigt in Deutschland natürlich der Unmut darüber, dass man immer wieder Steuergelder für die Rettung anderer Länder aufwenden muss, welche ihre Staatshaushalte über Jahre aufgebläht haben. Die täglichen negativen Nachrichten über Schuldenkrisen, finanzielle Aufstockung von Rettungsschirmen lassen die Menschen am Projekt Europa zweifeln. Und die ungeheuer grosse Arbeitslosigkeit, vor allem unter Jugendlichen, ist Brutstätte für Extremisten und droht zu einer Völkerwanderung nach Norden zu führen. Die damit verbundenen Immigrationskonflikte spüren wir in der Schweiz ja schon deutlich. Ein ganzer Kontinent steckt in einer Staatsschuldenkrise vorher nie gekannten Ausmasses. Ist das bereits die Bankrotterklärung des Hochrisiko-Projekts der Währungsunion? Was ist passiert in den Köpfen und Herzen der Menschen? Sind wir auf bestem Wege zurück zu einem kleinstaatlich denkenden Europa, wie es Yanko Tsvetkovs in senem „Atlas der Voruteile“ kartografiert hat?
Tiefgreifende Strukturprobleme (politisch, wirtschaftlich und moralisch)
Fakt ist: Die EU steckt in einer tiefen Krise. Sie hangelt sich von Rettung zu Rettung. Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und Zypern stehen wirtschaftlich vor dem Abgrund. Andere Länder wie vor allem Frankreich machen mir sehr grosse Sorgen. An der diesjährigen Frühjahres-Prognose-Tagung von der BAK Basel wurde bereits von japanischen Verhältnissen in der Euro-Zone gesprochen. Finanz- und Wirtschaftsexperten, darunter Fritz Zurbrügg, Mitglied des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, waren sich einig: Europa befindet sich mit seinem überschuldeten Staatswesen, angeschlagenem Bankensystem und nur zögerlich vorankommenden Strukturreformen derzeit in einer ähnlich problematischen Lage wie Japan in den vergangenen Jahrzehnten. Hinzu kommt ein schwerer Vertrauensverlust. Umfragen zeigen, dass das Vertrauen in die europäische Politik in den letzten Monaten stark gelitten hat. Sagten 2007 noch 32 Prozent der EU-Bürger, sie würden der EU nicht trauen, waren es 2012 mit 60 Prozent mehr als doppelt so viel. Und das Hin und Her um die Rettung Zyperns dürfte diese Entwicklung weiter verstärkt haben. Allein in Deutschland fürchtet über die Hälfte der Sparer, dass ihre Einlagen vor dem Zugriff der Politik nicht sicher sind. Vor allem die fehlende Gesamtstrategie und das wiederholte Setzen roter Linien, die bald darauf wieder überschritten werden, haben Vertrauen gekostet. Ich bin mir nicht sicher, ob die Bürger in den Rettungsmassnahmen wirklich noch solides Krisenmanagement im Sinne europäischer Systemstabilität sehen oder nicht vielmehr einen gigantischen Umverteilungskampf von Geld und Macht. Milliarden, Milliarden, noch mehr Milliarden. Löcher stopfen, keine wirklich systemrelevanten Reformen, ungenügende Kontrolle bei der Umsetzung durch eine mehr oder weniger machtlose Troika. Sind das nicht alles verzweifelte Wiedebelebungsversuche eines toten Patienten an der Herz-Lungenmaschine? Wenn die EU so weiter macht, wie bisher, ist sie auf bestem Wege international weiter an Gewicht zu verlieren. Was historisch betrachtet nicht einmal besonders überrascht, sind doch alle ehemals grossen Mächte an Überexpansion und zu zentralistisch ausgerichteter Führung auseinandergebrochen und untergegangen. Die Römer, die Griechen, das zentralistische Frankreich, das Reich der Habsburger, das zaristische Russland vielleicht bald auch die USA. Die EU ist durch ihre viel zu schnelle Überdehnung auf dem besten Weg diesen historischen Fehler auch zu begehen. Die wirtschaftliche Angleichung der Mitgliedsländer ist nicht durch einen Gesetzesdschungel und eine überbordende Bürokratie zu erreichen. Die EU hat tiefgreifende Strukturprobleme. Diese können mit Sonntagsreden und Appellen an das Vereinte Europa – wie sie vor allem immer wieder von deutschen Politikern kommen – nicht überwunden werden. Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck sprach sich in seiner jüngsten Europarede, vehement für eine noch engere Zusammenarbeit in der EU aus. «Wir brauchen eine weitere innere Vereinheitlichung», sagte der bekennende Europäer. Dabei dürfe diese tiefere Integration nicht auf die Wirtschaft beschränkt sein. «Wir brauchen auch eine weitere Vereinheitlichung unserer Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.» Dies sei Voraussetzung dafür, dass sich das vereinte Europa als «Global Player» behaupten könne. Ich glaube nicht an diesen Weg. Die EU braucht einen Marschhalt und wahrscheinlich muss sie in vielen Bereichen von der Integration zurückkrebsten. Sie muss einen Richtungswechsel vornehmen. Es sei klar gestellt: Wir dürfen hier natürlich auch die aussergewöhnlichen Versöhnungs- und Demokratisierungsleistungen der europäischen Integration nicht ausblenden. Viele osteuropäische Länder sind mittlerweile fester Bestandteile der EU und befolgen einen Mindeststandard an demokratischen und marktwirtschaftlichen Regeln. Die freiheitliche Demokratie und die freundschaftliche Begegnung souveräner Staaten ist das wahre Vermächtnis Europas. Aber noch ist es nicht gelungen, aus diesem Anfangserfolg auch ein verbindendes, erfolgreiches Projekt für das 21. Jahrhundert zu schaffen. Institutionelle Reformen hinken dem Tempo der Erweiterungsrunden klar hinterher und die falsch konstruierte Währungsunion hat viel Schaden angerichtet.
Europa braucht eine Grundsatzdiskussion: Manchmal ist weniger mehr
Welche Schritte sollte Europa also als Nächstes tun? Die EU Politiker sind sich einig, dass Griechenland und andere notleidende Schuldnerstaaten in der Eurozone bleiben sollten und die EZB ist bereit diesen politischen Willen durch Ankauf von Staatsanleihen abzusichern. Man fürchtet, dass bei einem Auseinanderbrechen der Eurozone massive Auf- und Abwertungen eintreten würden. Diese würden die deutschen Exporte einbrechen lasse und könnte auch in Deutschland zu Massenarbeitslosigkeit führen. Man steuert also direkt und scheinbar unaufhaltsam auf eine dauerhafte Transferunion zu, um die Stabilisierung der Eurozone zu sichern. Das Problem dabei ist vor allem, dass die Schuldnerstaaten wegen den damit verbundenen Auflagen in der Rezessionsfalle gefangen bleiben könnten. Die Südeuropäer lernen dabei nicht wirtschaftlich auf den eigenen Füssen zu stehen und ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln. Deshalb stärkt eine Transferunion langfristig nicht die begünstigten Länder, sondern schwächt die gesamte Volkswirtschaft, da Mittel aus produktiven Arbeitsplätzen in weniger produktive Arbeitsplätze fliessen. Meiner Meinung nach wäre deshalb für ein Land wie Griechenland der Austritt aus der Währungsunion eine Chance wieder auf eigenen Füssen zu stehen, seine wirtschaftliche Lage zu verbessern und sogar Überschüsse in der Leistungsbilanz zu erzielen. So könnte das Land zumindest einen Teil seiner Schulden zurückzahlen. Die Abwertung der Währung würde den Export von griechischen Gütern und von touristischen Dienstleistungen ankurbeln und wieder Investoren anziehen. Island hat ja bereits vorgemacht wie man sich von solch einem Schock erholen kann. Nach der Bankenkrise verneunfachte sich dort die Arbeitslosigkeit und die Wirtschaft fiel in eine tiefe Rezession. Die Isländische Krone wertete zum Euro um 80 Prozent ab. Nun befindet sich die Wirtschaft bereits wieder auf einem Wachstumspfad. Ein Ausstieg würde auch anderen notleidenden Staaten den Neubeginn erleichtern. Eine Konsolidierung der Länder in der Eurozone wäre langfristig das Beste für Europa und auch für die Schweiz. Ein „Exit“ der Südländer dürfte dabei nicht schlagartig passieren, sondern müsste über einige Jahre hinweg schrittweise erfolgen um Panikreaktionen oder sogar einen wirtschaftlichen Kollaps zu vermeiden. Man könnte für die ausscheidenden Länder ja zum Beispiel in einer Übergangszeit Parallelwährungen zulassen. So liesse sich die nationale Währung schrittweise abwerten. Das Resultat wäre ein stabiler Euro, der die Währung einer Gruppierung von stabilitätsorientierter Staaten ist, die die damit verbundenen Aufwertungskonsequenzen auch aushalten können und aus eigenem Interesse ihre Finanzen in Ordnung halten. Ein solcher Euro-Verbund könnte auch den US-Dollar als Weltwährung herausfordern. Eine vollständige Rückkehr der Südländer zum Euro wäre dabei ja nicht ausgeschlossen, wenn ein Land durch Abwertung und Strukturreformen grosse wirtschaftliche Fortschritte erzielt. Ein exogenes Ereignis, wie der Austritt Griechenlands aus der Eurozone, würde die EU Politiker aus der „passiven Sanierung“ herausreissen und dazu führen, dass sie nicht mehr Getriebene ihres Primats der Politik wären. Die Sanierungs- und Reformprogramme der EU müssten vor allem in Richtung Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit gehen. Die Bewahrung des Euro in einem Kern stabilitätsorientierter Staaten wäre möglich, verbunden mit einem für alle fairen Schuldenschnitt und Neubewertungen aller Wechselkurse durch die Märkte. In der Schweiz haben wir ja bereits Erfahrung mit einer solchen Wechselkursentwicklung. Obwohl der Schweizer Franken gegenüber dem Euro übermässig stark aufgewertet wurde, sind weder die Exporte, das Wachstum noch die Beschäftigung eingebrochen. Die Arbeitslosigkeit ist im Vergleich zu unseren Nachbarn geradezu unbedeutend. Hochtechnologie- und Ausrüstungsgüter können nicht so rasch substituiert werden und die Aufwertung verbilligt die verarbeiteten importierten Rohstoffe und Halbfertigprodukte. Natürlich würde dies auch für Länder wie Deutschlandeinige Schwierigkeiten mit sich bringen. Die deutsche Wirtschaft könnte diesen aber nach einigen Jahren überwunden haben. Langfristig wäre eine Neuadjustierung der Wechselkurse im Rahmen eines europäischen „Realignment“ ein Beitrag zur Einebnung der Spaltung in der Eurozone. Auf jeden Fall alles besser als das gegenwärtige Fass ohne Boden. „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ hat die deutsche Bundeskanzlerin unlängst gesagt. Aber wieso sollte eine Konsolidierung der Währungsunion die bisherigen Erfolge der europäischen Integration zunichtemachen? Es sind ja bereits heute nicht alle EU Mitgliedstaaten auch Mitglieder der EWU. Sollten nicht die Bürger entscheiden können ob Sie „mehr Europa“ wollen? Ich bin mit den meisten EU Politikern einigen, dass das Vertrauen in das gemeinsame europäische Projekt wiederhergestellt werden muss. Es ist dabei aber von entscheidender Bedeutung, dass die Bürgerinnen und Bürger Europas einbezogen werden. Es kann doch nicht sein, dass die Währungsunion die politische Union erzwingt, weil sie anders nicht funktionsfähig ist. Nur ein von den Menschen angenommenes Europa wäre einen langfristige legitime politische Ordnung. Ohne Grundsatzdiskussion, ohne eine Debatte über Werte – über das, was uns zusammenhält – kommt Europa auf keinen grünen Zweig. Dass schmerzhafte Strukturreformen und unbequeme Marktöffnung langfristig Wachstum schaffen, ist nicht einfach zu vermitteln. Ein erster Schritt wäre, Reformen nicht von oben herab zu verordnen. Damit sie akzeptiert werden, müssen sie sich vielmehr aus einer Debatte auf nationaler Ebene entwickeln, in der jede Gesellschaft selbst herausfindet, wofür sich die Anstrengungen lohnen. Ich bezweifle jedoch, dass eine ergebnisoffene Diskussion über politische Ziele, wie wir sie in der Schweiz führen, in den Euroländern derzeit möglich ist. Um dies zu erreichen, müssen die Befürworter von Europa diese Idee jenseits von Moralismus mit zugkräftigen Argumenten vermitteln, den konkreten Nutzen aufzeigen und eine offene Diskussion über europäische Werte und gemeinsame Ziele eröffnen. Sonst hört am Ende keiner mehr zu. Mehr Schweiz wagen Und hier, meine Damen und Herren, könnte sich die Schweiz in die EU-Diskussion einbringen. Ich bin der festen Überzeugung: Die Schweiz könnte als Ideengeber und Vorbild die angeschlagene EU beflügeln. So wie sie das schon in einigen Punkten bereits erfolgreich getan hat. Ich denke da z.B. an die Ausgabenbremse, die der Staatsverschuldung klare Grenzen vorschreibt – einer unserer Exportschlage. Ich denke an die konsequente Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips und des Konkurrenzföderalismus – wie wir das vorleben – und vielleicht auch an mehr Direkte Demokratie. Die EU müsste „Mehr Schweiz wagen“.
Erfolgsmodell Schweiz
Die Schweiz als Vorbild, als Wegweiser aus der EU-Krise? Vieles spricht dafür. Die Schweiz ist ein Erfolgsmodell – und hebt sich gegenwärtig ganz besonders positiv vom EU-Raum ab. Es gibt vieles, auf das wir stolz sein können:
– Politische Stabilität – Gute Infrastruktur und Lebensqualität
– Flexibles Arbeitsrecht und gut ausgebildete Arbeitskräfte (Hauptgrund für die tiefe Arbeitslosigkeit)
– Akzeptable Unternehmenssteuern
– Und trotzdem relativ tiefe Staatsverschuldung entwickelter Finanzmarkt, tiefe Kapitalkosten
– Weltoffene Gesellschaft
– Hoher Bildungsstandart
– Grosse Innovationskraft, Spitzenforschung
Im Vergleich mit unseren Nachbarn in der EU ist die Schweiz zurzeit eine positive Ausnahme, was die Wirtschaftsindikatoren angeht. Die Arbeitslosigkeit liegt weit unter dem Durschnitt unserer EU-Nachbarn und auch was die Wertschöpfung angeht sind wir Spitze. Jeder der einige Zeit im Ausland gelebt hat, schätzt die hohe Lebensqualität in der Schweiz. Wir haben eine sehr gut funktionierende Infrastruktur, hohe persönliche Sicherheit eine saubere Umwelt und eine gute Balance zwischen Privatleben und Beruf. Bereits zum vierten Mal in Folge ist die Schweiz an der Spitze des Global Competitiveness Reports, der am WEF veröffentlicht wurde, gefolgt von Singapur, Finland, Schweden. Erst dann folgen Holland, Deutschland, UK, USA, Hong Kong und Japan. Das muss man sich einmal vorstellen! Wir sind die Nummer 1 im internationalen Wettbewerb! Auch was die Innovation angeht können wir mit den Besten mithalten: Im Innovation Index des Economist liegen wir hinter Japan auf Platz 2. Die Schweiz ist ein Magnet für Internationale Unternehmen und Organisationen. Wir haben 1.96 Global Fortune 500 Companies per Mio. Einwohner (Holland 0.78, Frankreich 0.49, Deutschland 0.39). Dank unserem hervorragenden Bildungssystem bringt die Schweiz sehr gute, ja vielleicht die besten Voraussetzungen in Europa mit. Es ist unbestritten: Schweizer Berufsbildung ist top. Das geht aus dem aktuellen OECD-Bericht 2013 «A Skills beyond School Review of Switzerland» hervor. Deshalb sollten wir unsere liberalen Grundüberzeugungen in der Wirtschaft und Offenheit gegenüber der Weltwirtschaft beibehalten. Die Eidgenossenschaft ist ein gelungenes Experiment. Sie zeigt im Kleinen, wie der Prozess der Globalisierung im Grossen funktionieren könnte. Unsere politische Kultur bietet weltweit einzigartiges: direkte Demokratie, starker Föderalismus, friedliches Zusammenleben von verschiedener Sprachgemeinschaften, Neutralität, grosse Freiheit des Individuums von staatlicher Willkür und Eingriffen.
Dem Druck der EU auf konstruktive Weise begegnen
Jedoch führt Erfolg bekanntlich auch zu Neid und Missgunst und die Schweiz steht nun ja schon seit einigen Jahren wegen unserem Finanzplatz, wegen unserem Steuersystem und anderen Sonderheiten unter ständigem Druck gerade auch aus der EU. Die EU-Staaten haben leere Kassen und wachsende Schulden. Sie versuchen deshalb, den scharfen Konkurrenten Schweiz, den sie auf dem freien Markt kaum schlagen können durch regulatorische Massnahmen in die Knie zu zwingen. Dies ist ein sehr kurzfristiges Denken, denn z. B. die Unternehmen und die Vermögen werden nicht nach Deutschland oder England umziehen, sondern nach Asien und anderswo. Wir müssen uns deshalb mit den Kräften innerhalb der EU absprechen, welche den protektionistischen, staatsgläubigen Tendenzen entgegentreten. Das Beispiel Grossbritanniens zeigt, dass es auch innerhalb der EU viele verschiedene Ansichten gibt. Die EU kritischen Tendenzen in Grossbritannien sind am bedeutendsten und für die Schweiz am wichtigsten. Premierminister David Cameron – unter dem Druck der United Kingdom Independence Party (UKIP) – fordert die EU zu grundlegenden Reformen auf und macht den Verbleib Grossbritanniens von deren Umsetzung abhängig. Gleichzeitig kündigte er an, er wolle das Volk 2017 über den Verbleib Grossbritanniens in der EU abstimmen lassen. EU-kritische Töne liegen in Grossbritannien zurzeit im Trend – die europakritische UKIP hat bei Kommunalwahlen in England bereits grosse Zugewinne verbucht. Ihr Vorsitzender Nigel Farage propagiert lautstark das Schweizer Sondermodell: „Die Schweiz sei der lebende Beweis dafür, dass es einem Land ausserhalb der EU sehr gut gehen kann. Diese Tatsache passe Brüssel nicht“, sagte Farage in einem Interview mit dem SonntagsBlick und fügte hinzu. „Die Schweiz solle sich von der Europäischen Union nicht tyrannisieren lassen.“ Er sei sogar der Ansicht, die Bosse in Brüssel hassen die Schweiz und wollten die Schweiz „zum Verschwinden bringen“. Ihm gefalle es sehr, dass die Schweizer die EU-Politiker ignorierten. Es wäre natürlich für die Schweiz von strategischer Bedeutung, vor allem in den oft schwierigen Verhandlungen mit der EU, wenn sie vermehrt auf die Unterstützung von GB zählen oder gar im einen oder anderen Bereich eine Allianz eingehen könnte. Die Stärkung dieser Beziehung wäre aus meiner Sicht eine der Hauptaufgaben für die Schweizer Aussenpolitik. Ist das nun bereits die Rückkehr Englands zur „Splendid Isolation“, die Überzeugung von der wunderbaren Isolation aufgrund der Insellage, die die Aussenpolitik des Vereinigten Königreiches im späten 19. Jahrhundert bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs so entscheidend prägte? Liegt die Schweiz mit ihrer vornehmen Zurückhaltung in Punkto EU-Beitritt damit voll im Trend oder ist sie sogar Trendsetter? In gewisser Weise schon. Vor allem dürfen wir uns nicht immer verstecken oder dem Druck immer nachgeben. Die bekannte „Vogel Strauss Politik“ und „Kaninchen vor der Schlange“ führt die Schweiz in den Abstieg. Bestes Beispiel dafür ist der Streit um das Bankkundengeheimnis und unsere defensive Politik. Dasselbe Schicksal droht uns auch im Streit um unser Steuersystem. Die EU fordert die Abschaffung der kantonalen Steuerprivilegien und wirft der Schweiz vor, dass die steuerrechtliche Bevorteilung von Einkommen aus ausländischer Quelle gegenüber Einkommen aus schweizerischer Quelle gegen das Verbot der öffentlichen Beihilfe verstosse. Jedoch bestehen innerhalb der EU unterschiedliche Boxen-Systeme welche den freien Steuerwettbewerb innerhalb der Union einschränken. Wir sollten hier nun pro aktiv handeln und unsere eigenen Vorschläge mit Überzeugung einbringen, welche es dem schweizerischen Steuersystem erlauben, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit in einem auf die Änderung des weltweiten Szenarios angepassten Rahmen zu erhalten. Je früher dies geschieht, desto mehr wir die Schweiz die Gelegenheit erhalten, beim Aufbau der neuen internationalen Standards eine aktive Rolle zu spielen. Eine demokratische, rechtsstaatliche Schweiz darf sich blossen Machtansprüchen nicht ohne Gegenwehr beugen. Sie hat es in ihrer Geschichte selten getan und sie darf es auch in Zukunft nicht tun. Wir müssen diesen Macht- und Wirtschaftsräumen den Spiegel unserer Werte entgegenhalten. Dies ist nicht populär und dies ist nicht einfach. Dies braucht vor allem Mut. Unsere Vorfahren hatten diesen Mut immer wieder. Haben wir ihn auch? Wenn wir keinen Mut haben, wird das Symbol Schweiz langsam zu Grunde gehen. Die Schweiz hat in ihrer Geschichte immer wieder Anfeindungen, Druck und Kritik aus dem Ausland erfahren – vor allem weil sie mit ihren Institutionen und Werten ein Dorn im Auge der Mächtigen war – und wie Beispiel zeigt – immer noch ist. Dies war im Spätmittelalter so, im 19. Jahrhundert, zur Zeit des Nationalsozialismus und des Kommunismus. Wir wurden oft verachtet, angepöbelt, bedroht. Das Ausland hat historisch immer stark auf den Sonderfall Schweiz reagiert – mit Zustimmung und vor allem mit Ablehnung. Die Schweiz war oft gegenläufig zu den Zeittrends. Meist gab uns die Geschichte Recht, und Jahrzehnte später ist uns das Ausland gefolgt. Denken wir z. B. nur an die Verachtung, mit denen uns im 19. Jahrhundert die konservativen Aristokratien Europas begegnet sind. Und 100 Jahre später hat sich auch bei ihnen Demokratie und Liberalismus durchgesetzt. Die Schweiz wurde über die Jahrhunderte oft vom Sonderfall zum Schrittmacher. Immer wieder belegte sie mit ihrer Existenz, dass es Alternativen zu den vorherrschenden Staats- und Verhaltensformen gab, zu Absolutismus, Zentralismus, Nationalismus. Dies hat uns immer wieder Neid, Missgunst und Nachstellungen der Mächtigen gebracht. Druck auf die Schweiz hat Tradition. Ich plädiere deshalb für eine neue, offensive Philosophie der Schweiz auf internationaler Ebene. Ein immer internationaler verstricktes Wirtschaftsumfeld bedarf neuer, zeitgemässer Rahmenbedingungen. Unsere Regierenden verstecken sich oft hinter der Ausrede, die Schweiz sei ein Kleinstaat und man könne daher dem Druck nicht standhalten. Nun, waren wir denn im 19. Jahrhundert eine Grossmacht oder zur Zeit des Zweiten Weltkrieges? Nein, sicher nicht. Im Übrigen sind wir vielleicht geographisch und von der Einwohnerzahl her ein Kleinstaat, sonst aber nicht. Die Stellung eines Staates bestimmt sich in der modernen Welt durch seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Finanzkraft, durch die Kreativität und Innovationsfähigkeit seiner Gesellschaft, durch die Qualität des Bildungssystems, die kulturelle Ausstrahlung, die „soft power“ und vieles mehr. Legen wir diese Messlatte an die Schweiz an, schneidet sie in aller Bescheidenheit gut ab. Wir gehören wohl zu den zwanzigst mächtigsten Länder der Welt. Leider gelingt es unserer Regierung und Diplomatie nicht, dieses Potential in politischen Einfluss umzusetzen. Das ist unser Fehler. Aber unsere angebliche Kleinheit dürfen wir nicht als Ausrede akzeptieren.
Besser die Stärken der Schweiz hervorheben
Auch tendieren wir Schweizer leider dazu, unsere politische, soziale und wirtschaftliche Ordnung für einzigartig zu halten – für etwas, das anderswo nicht nachgebildet werden kann. Nur zu verführerisch scheint für uns Schweizer der Gedanke, unser Land als einzigartige «Insel der Glückseligen» in einem Meer von europäischem Chaos zu sehen. Das ist bedauerlich. Denn die Schweiz täte anderen Ländern einen riesigen Gefallen, würde sie mehr Energie darauf verwenden, ihre politischen und sozialen Errungenschaften im Ausland zu promoten. Letztendlich täten wir uns damit auch selbst einen Gefallen. Denn in einer unsicheren globalisierten Welt dient die Verbreitung der eigenen Staatsform als Mittel, das eigene Überleben zu sichern. Und so würde sich erweisen: Der Export erfolgreicher Schweizer Institutionen geschähe nicht nur aus purem Altruismus, sondern auch aus legitimem Eigeninteresse. Nur müssten wir endlich unsere Ideen und Institutionen aktiv im Ausland bewerben. Kommen wir endlich heraus aus unserem Schneckenhaus und präsentieren wir uns selbstbewusst und zeitgemäss. Denn eines ist gewiss: Europa braucht die Schweiz! Erzählen wir der Welt von uns, lassen wir die Welt teilhaben an dem, was sich bei uns bewährt hat und was gut funktioniert in unserem Land. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union benötigen dringend ein funktionsfähiges Modell für Föderalismus und Demokratie. Sehen wir uns als Ideengeber, als politische, wirtschaftliche und soziale Inspirationsquelle Europas. Wir sind ein wichtiger Teil dieses von Joachim Gauck erwähnten europäischen Wertekanons. Unsere Wurzeln liegen in Europa. „Splendid isolation“ kann für uns nicht die Lösung sein, führt sie doch wie der Name schon sagt, in die Isolation, ins Abseits. Mischen wir uns ein!
Die Zukunft der Schweiz (in Europa)
Die Exportwirtschaft steht angesichts der anhaltenden Frankenstärke und der Konjunkturschwäche in Europa unter grossem Margen- und Innovationsdruck. Die Zukunft der Schweiz (und die Europas) liegt in Innovation und Dienstleistung. Wissen, Bildung und Technologie (z.B. IT) werden die wichtigsten Wettbewerbsvorteile sein. Der Wettbewerb zwischen den Volkswirtschaften und Standorten wird in Zukunft noch mehr zunehmen und noch härter werden. Wer im Wettbewerb zurückfällt, büsst schwer dafür. Er verliert Investoren, Arbeitsplätze, Know-how, Wohlstand. Noch hat die Schweiz einen guten Standort zu bieten. Aber die Konkurrenz holt ständig auf und beginnt uns zu übertreffen. Unser Land konkurriert zunehmend auch mit asiatischen Standorten um Investitionen. Auch unsere Regierung muss sich bemühen, stets bessere Rahmenbedingungen für Investoren und unsere Unternehmen zu bieten. Es ist sehr wichtig, dass wir unsere guten Rahmenbedingungen für Unternehmen nicht preisgeben – darum setzte ich mich auch für eine Unternehmenssteuerreform eine, welche attraktive Rahmen-bedingungen für international ausgerichtete Unternehmen garantiert. Wir müssen aufpassen, dass wir sich die Wirtschaftsfeindliche Stimmung nicht ausdehnt – wie in einigen unserer Nachbarländer. Hier stehen die Wirtschaft und die Politik in der Verantwortung. Der Wettbewerbsdruck wird übrigens auch für das Individuum zunehmen. Wir müssen länger, härter und innovativer arbeiten, um in der globalisierten Welt wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Weltwirtschaft wird aber künftig weniger von einzelnen Volkswirtschaften, sondern vielmehr von Wirtschaftsräumen dominiert sein. Deshalb gehört zu einer offensiven und global ausgerichteten Schweizer Aussenpolitik. auch ein Ausbau der bilateralen Verträge mit der EU sowie neue Freihandelsabkommen, um ausländische Märkte für Schweizer Exportfirmen zu öffnen. Die EU ist die mit Abstand wichtigste Wirtschaftspartnerin der Schweiz. Rund 80% der schweizerischen Einfuhren kommen aus der EU, und gut 60% ihrer Exporte gehen dorthin. Der beidseitige Handel erreicht täglich einen Wert von 1 Milliarde CHF. Nimmt man den Austausch von Waren und Dienstleistungen zusammen, ist die Schweiz nach den USA, aber vor China, Russland und Japan der zweitwichtigste Wirtschaftspartner der EU. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass zahlreiche im EU-Raum tätige Unternehmen ihren Sitz oder eine Zweigniederlassung in der Schweiz haben. Deshalb ist die EU am Abschluss weiterer Kooperationsabkommen im Bereich des Binnenmarkts interessiert. Bundesrat und Parlament sollten diese Verhandlungstrümpfe nutzen, um ihr erklärtes europapolitisches Ziel, den Ausbau und die Festigung des bilateralen Weges, zu erreichen. Trotz des schwierigen Währungs- und Wirtschaftsumfeld bietet Europa mit seiner geografischen, kulturellen und rechtlichen Nähe nach wie vor vielversprechende Exportchancen für Schweizerische Unternehmen. Aber die Diversifizierung der ausländischen Absatzmärkte und der Schritt über Europas Grenze hinaus lohnt sich für viele Firmen um der Frankenstärke und der Rezession im EU-Raum auszuweichen. Der Einstig in aufstrebende Märkte Asiens, Südamerikas, des Mittleren Ostens oder Afrikas kann sich für viele Unternehmen auszahlen. Dabei sind Fähigkeiten wie Innovation, Swissness, Diversifikation, Flexibilität, Schnelligkeit und Anpassungsfähigkeiten gefragt. Es gibt für Schweizer Unternehmen noch ein erhebliches Potenzial an noch nicht erschlossenen Wachstumsmärkten. Diese könnten in Bälde eine prominentere Rolle im globalen Wirtschaftsgefüge spielen. Das globale Wachstum wird nicht mehr nur von altbekannten Schwellenländern wie China und Indien vorangetrieben. Vielmehr von einer nächsten Generation von sehr unterschiedlichen Schwellenländern wie:
• Philippinen
• Malaysia
• Vietnam
• Kasachstan
• Ukraine, Serbien
• Peru, Ecuador
• Algerien, Kenia, Ghana.
Wie beantworte ich die eingehend gestellte Frage zur Zukunft der Schweiz in Europa: Integration oder Splendid Isolation? Es ist klar, dass auch die zentral gelegene Schweiz als fester Bestandteil des europäischen Abendlandes ihren Platz in diesem europäischen Konstrukt finden muss. Aussenpolitik war und ist für mich immer Interessenpolitik. Es geht darum, die Interessen der Schweizer Bevölkerung zu wahren. Mit diesem Signalstern muss auch immer die Europa-Frage gestellt und beantwortet werden:
• Geht es der Schweiz als Mitglied der EU besser oder als Nichtmitglied? Wie kann sie ihre Interessen besser wahren? Durch mehr Integration?
Oder durch weniger Integration? Diese Frage muss man sich immer wieder – völlig emotionslos und befreit von Ideologien stellen. Im Moment ist offensichtlich, dass die Schweiz als EU Mitglied schlechter fahren wird. Aber wie es in 10 oder 20 Jahren aussehen wird, kann heute niemand sagen. Wir können nur spekulieren. Ich könnte mir vorstellen, dass sich die EU in Richtung einer Freihandelszone „De Luxe“ entwickeln könnte, mit der alten EU der sechs als Kernmitgliedstaaten. Bei einem solchen Modell eines Europas der verschiedenen Geschwindigkeiten wäre für mich eine aktive europäische Rolle der Schweiz durchaus denkbar, vielleicht auch eine Integration. Gegenwärtig und auf absehbare Zeit ist aber ein EU- Beitritt kein Option – ebenso wenig wie ein Alleingang und eine Abschottung der Schweiz im Sinne einer „Splendid isolation“. Am besten gewahrt bleiben Schweizer Interessen durch die Fortsetzung des bilateralen Weges. Dieser muss aber ausbalanciert werden, durch neue, innovative Verträge und Allianzen mit Ländern ausserhalb der EU, wie insbesondere China, Russland, Indien, Staaten Lateinamerikas. Das Freihandelsabkommen mit China dürfte Schweizer Unternehmen künftig gewisse Vorteile gegenüber ihrer Konkurrenz aus der EU bringen. «Wenn die Schweizer die Alpen selbst gebaut hätten, wären sie bescheidener geraten. Da sie nun mal da sind, muss man das Beste daraus und darauf machen.» Carl Spitteler