Dr. Thomas Borer über die Neugestaltung der schweizerisch-deutschen Beziehungen

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Dr. Thomas Borer über die Neugestaltung der schweizerisch-deutschen Beziehungen

13 März, 2013

Dr. Thomas Borer über die Neugestaltung der schweizerisch-deutschen Beziehungen

Bei einer gemeinsamen Winterveranstaltung der Basler Zünfte zum Himmel und zum Goldenen Stern im März 2013 hält der ehemalige Schweizer Botschafter Dr. Thomas Borer eine Keynote zu den schweizerisch-deutschen Beziehungen vor dem Hintergrund von Streitigkeiten über Steuerabkommen und Flughafenrechte. Unter Einbezug historischer Anekdoten sowie Handels- und Migrationsdaten kritisiert Borer das geringe Profil der Schweiz in Deutschland und ruft zu einem selbstbewussten Rebranding von Schweizer Politik, Wirtschaft und Kultur im Ausland auf. Seine Vision sieht die Schweiz als mittelgrosse Weltmacht, die europäische Debatten mitgestalten kann.

Das vollständige Transkript können Sie hier lesen:

Gibt es noch einen Ausweg? Die Schweiz im Steuer- und Flughafenclinch mit Deutschland

Einleitung

Wenn ich von Zeit zu Zeit in meiner ehemaligen Wahlheimat und Wirkstätte Berlin bin und mir die sprichwörtliche Berliner Luft um die Nase wehen lasse, kommt es immer noch vor, dass mich die Menschen erkennen und mich mit einer freundlichen Vertrautheit ansprechen. Und das noch nach über 10 Jahren, ich bin ja seit über zehn Jahren nicht mehr Botschafter in Deutschland. So wie erst kürzlich in einem Restaurant am Gendarmenmarkt. „Hallo Herr Borer, schön, dass Sie uns mal wieder besuchen.“ Und dann kommt sie wieder – diese Frage: „Sagen Sie mal, wer ist denn eigentlich Ihr Nachfolger? Wissen Sie, seit Sie weg sind, ist uns die Schweiz wieder irgendwie fremd geworden.“ Als sichtbares Zeichen der Schweizer Präsenz in Berlin weht zwar nach wie vor die rot-weisse Flagge auf dem grauen, schlicht gehaltenen Palais in der Otto-von-Bismarck-Allee 4a und deutet auf eine ständige Vertretung hin. Immerhin geniessen wir das Privileg, als einzige Botschaft im Berliner Regierungsviertel zwischen Bundeskanzleramt, Spreebogen, Reichstag und dem Haus der Kulturen der Welt ansässig zu sein. Aber man liegt nicht falsch, wenn man sagt: Im Gegensatz dazu ist die Schweiz nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit der Deutschen. Wenn man in Deutschland heutzutage nicht mal den Namen des Schweizer Botschafters kennt, wie verhält es sich da generell mit dem Bekanntheitsgrad von anderen Politikern und Schweizer Prominenten? Nachdem unsere Skifahrer und Fussballer keine allzu zuverlässigen Siegernaturen sind, bleiben als charismatische Schweizer Charmeexporte eventuell noch Roger Federer, DJ Bobo und ein durch die TV-Show „Küchenschlacht“ bekannter Sternekoch mit Baseballcap in unseren Nationalfarben. Oh nein, fast hätte ich`s vergessen, dann ist da natürlich noch Luca Hänni aus dem beschaulichen Uetendorf im Kanton Bern, der 2012 als erster Schweizer zu Deutschlands Superstar avancierte. Der Maurerlehrling aus der Schweiz glänzt mit Zahnweisslächeln und guten Manieren. Schon beim Casting hatte ihn Chefjuror Dieter Bohlen als „prädestinierten Bravo-Boy“ ausgerufen. Dass die Deutschen ausgerechnet einen Schweizer zum Superstar wählten, grenzte schon an eine kleine Sensation und setzte immerhin ein kleines Zeichen der Völkerverständigung! Aber wie verhält es sich mit Schweizer Politikern und dem Bild, das sie im Ausland über die Schweiz vermitteln? Die Ausbeute im politischen Lager fällt bescheiden aus. Manche Deutsche werden aus einigen Niedrigniveau-Medien allenfalls den Namen Blocher kennen oder jetzt für einige Zeit Minder. Aber wer ist eigentlich das Staatsoberhaupt der Schweiz? Es ist nahezu ernüchternd, wie wenige Deutsche darauf die richtige Antwort wissen. „Die haben doch auch so eine Art Kanzlerin, eine mit so grossen Basedow-Augen und einer schlechten Frisur“, bekam ich neulich als Antwort auf meine Frage. Vielleicht liegt es an der vornehmen Zurückhaltung von uns Schweizern und unserer Tendenz zum Understatement. Aber excusez, liebe Freunde, wer sich so im Ausland präsentiert, darf sich nicht beschweren über eine eher schwache und falsche Wahrnehmung. Eine suboptimale Präsenz gepaart mit einem knapp bemessenen Wissen über den Nachbarn war schon immer ein guter Nährboden für Missverständnisse und Vorurteile. Auch wenn wir Schweizer – vor allem in Zürich – oft den Eindruck haben, von unseren deutschen Nachbarn nahezu überrannt zu werden, die Statistik spricht eine andere Sprache. Ob Sie es glauben oder nicht: Vor 100 Jahren war der Anteil deutscher Einwohner in der Schweiz noch grösser als heute! Zwar hat sich die Zahl der Deutschen in der Schweiz in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt, nachdem sie 40 Jahre lang weitgehend konstant geblieben war. Aber mit gut 3% der Gesamtbevölkerung bilden die Deutschen nur die drittgrösste Ausländergruppe nach Personen aus Ex-Jugoslawien und Italien. Der Abstand ist noch grösser, wenn man berücksichtigt, dass sich in den letzten Jahren mehr ExJugoslawen und Italiener haben einbürgern lassen. Diese Personen tauchen nicht mehr in der Ausländerstatistik auf. Die einwandernden Erwerbstätigen aus Deutschland sind meist gut qualifiziert. Jeder 10. Arzt in der Schweiz ist Deutscher, jeder 8. TopManager und jeder 5. Universitäts-Professor. Allein durch die 3000 deutschen Ärzte sparte die Schweiz Ausbildungskosten von circa 3 Milliarden Franken. Dass die Deutschen in den Arbeitsmarkt und nicht in die Sozi- alwerke einwandern, zeigt sich auch an den Arbeitslosenquoten: Im Jahresdurchschnitt für 2012 lag diese für Deutsche mit 3,2% deutlich unter der Ausländerarbeitslosigkeit insgesamt 5.5%. (Für die Schweizer betrug die Arbeitslosenquote 2.3%). Trotz aller positiven Aspekte hat die vermeintliche „Überteutonisierung“ der Schweiz in den letzten 10 Jahren nicht viel dazu beitragen können, eine bessere gegenseitige Kenntnis und Akzeptanz der verschiedenen, und doch so ähnlichen Mentalitäten zu bewirken. Im Gegenteil. Man glaubt sich zu kennen, und weiss doch so wenig voneinander. Die alten Vorurteile – da sind sie wieder: Schweizer Alpenidylle, Bankgeheimnis, Schokolade versus Kavallerie, Oktoberfest und Besserwisserei – nicht nur auf dem Fussballplatz. Aber trotz allem: Auch nach langem, intensiven Suchen innerhalb Europas finden sich keine zwei Länder, die sich so unterscheiden wie Deutschland und die Schweiz – und doch so viel gemeinsam haben – und deren Geschichte so eng miteinander verflochten ist. Man könnte in Anlehnung an Churchills berühmtes Wort über die USA und Grossbritannien sagen: Zwei Länder – getrennt durch eine gemeinsame Sprache.

Ein paar anekdotische Meilensteine unserer gemeinsamen, bewegten Geschichte

Deutschland und die Schweiz haben seit vielen Jahrhunderten viele Gemeinsamkeiten – politisch, kulturell, sozial und auch wirtschaftlich. Die Eidgenossenschaft war integraler Bestandteil des Heiligen Reiches Deutscher Nation. Praktisch ein Städteverband von 10 Orten (Zürich, Bern, Luzern, Schwyz, Uri, Unterwalten, Zug, Solothurn und Fribourg [Uechtland]). Ihrem Drang nach Selbstbestimmung entsprechend eroberten unsere Vorfahren in kleinen Scharmützeln immer mehr Land, was dem schwäbischen Hochadel nicht sonderlich gefiel. Geschichtlich belegt sind Schimpfworte, wie „Kalblimacher“ in Anspielung auf die Kuhzucht innerhalb der Eidgenossenschaft, die in der Unterstellung gipfelten, dass die Eidgenossen mit ihren Kühen Hochzeit machten. Besonders markant sind die in den Geschichtsbüchern immer wieder auftauchenden Beschreibungen von Kühen in Hochzeitskleidern, die die Schwaben zur Provokation entlang des Rheins aufgestellt hätten. Der Hass keimte auch auf anderer Seite: „Sauschwaben“ war die Replique auf „Kuhschweizer“, also der Vorwurf der Sodomie mit Schweinen, der auf die schwäbische Schweinezucht anspielt. 1458 eskalierte der Konflikt zum ersten Mal: Im sogenannten Plappertkrieg (plappern = reden, quasseln) zogen einige freiheitsliebende Landsknechte und Bauernhaufen nach Konstanz und plünderten, was nicht niet- und nagelfest war. Heute setzt sich diese Tradition im Euroshopping fort. Waren Sie schon mal an einem Samstag in Lörrach? Da fallen jeepweise Alpenländler aus völlig entlegenen Kantonen beim Edelsupermarkt Hieber ein und bringen das Fassungsvermögen ihrer Autos an ihre Grenzen. Erstaunlich, was da alles Platz findet. Und erstaunlich die Geduld der Kassiererinnen – auch in den anderen Geschäften der Innenstadt, die allesamt von der Konsumfreudigkeit der Schweizer profitieren – die selbst für Kleinstbeträge unter 10 Euro noch grüne Ausfuhrscheine ausstellen. Dann die endlos langen Schlangen am deutschen Zollhäuschen, wo man sich den zur Rückerstattung der 19% Mehrwertsteuer unabdingbaren Stempel holen muss. Ein Szenario, das an DDR-Zeiten und an wahre Ausnahmezustände erinnert. Aber zurück ins Jahr 1499. Da kam es dann zum grossen Schwabenoder Schweizerkrieg, der in der deutschen Histographie – wen wundert`s – übrigens nur wenig Beachtung befindet. Damals setzte sich die militärisch stärkere Eidgenossenschaft gegen die Heerscharen des deutschen Königs durch– leider gelingt uns das heute auf dem Fussballfeld eher selten. Doch selbst nach dieser gelungenen Machtdemonstration – die Eidgenossenschaft wurde in Folge dessen faktisch unabhängig – gingen die Sticheleien weiter. Aber heisst es nicht auch „Was sich liebt, das neckt sich“? 1501 beschrieb der deutsche Geschichtsschreiber und „Erzieher Deutschlands“ Jakob Wimpheling in seinem Werk „Germania“ die Schweizer als Rohlinge, Grobiane, Hitzköpfe, Prahler, Kriegsgurgeln und schändliche Räuber. Solch Gedrucktes kam aber wohl den Analphabeten in den Alpen nie zu Gesicht. Ihr durch viele militärische Siege gestärktes Selbstbewusstsein erlaubte ihnen sogar, den ursprünglichen Schimpfnamen „Switzer“ – im Sinne von schwitzenden Berglern – als Eigenbezeichnung zu akzeptieren. Von diesem Selbstbewusstsein ist heute leider nicht viel geblieben. Mit den Jahrhunderten und der Aufklärung machte das gegenseitige Totschlagen dem kulturellen und wirtschaftlichen Austausch Platz. Ausgerechnet einer der beiden grössten deutschen Dichter, Friedrich Schiller, wagte das Unglaubliche und verfasste das Schweizer Nationalepos „Wilhelm Tell“. Und sein Kollege Johann Wolfgang wusste zu berichten: „Mir ist wohl, dass ich ein Land kenne, wie die Schweiz – hab ich doch immer dort einen Zufluchtsort.“ Man kann wohl sagen, dass Goethe somit zum Vorbild vieler deutscher Steuerflüchtlinge wurde. Die Schweiz und Deutschland haben in ihrer Wirtschaftsgeschichte immer voneinander profitiert. Im 19. Jahrhundert floh eine in Deutschland unterdrückte Elite in die Schweiz – so ähnlich wie heute wieder. An der Eidgenössischen Technischen Hochschule lehrten fast nur deutsche Professoren – übrigens haben wir heute insgesamt 4.000 deutsche Wissenschaftler und 5.000 deutsche Studenten in der Schweiz. Viele Schweizer Weltfirmen wurden von deutschen Emigranten gegründet – Boveri BBC, Sulzer, Nestle, Oerlikon, um nur einige zu nennen. Viele Deutsche führten und führen Schweizer Unternehmen. Umgekehrt gibt es Schweizer an der Spitze deutscher Unternehmen, wie Josef Ackermann, einer der besten Schweizer Bankiers – wie ich finde. Oftmals wird vergessen, dass er es war, der die Deutsche Bank aus der Krise geführt und wieder stark gemacht hat. Und kaum ist er weg, geht es wieder bergab. Dass die gemeinsamen Bande zwischen Deutschland und der Schweiz stärker sind als man vermutet, dokumentieren auch die Aussenhandelszahlen. Der eine profitiert vom anderen. Deutschland ist der stärkste Wirtschaftspartner der Schweiz.
 Fast ein Drittel aller Schweizer Importe stammen aus Deutschland.
 Die deutschen Lieferungen sind sommit höher als diejenigen aus Italien (2.), Frankreich (3.), China (4.) und den USA (5.) zusammen.
 Die deutschen Exporte in die Schweiz übersteigen die kumulierten deutschen Exporte nach China und Kanada.
 Das Handelsvolumen ist grösser als das der Deutschen mit Polen, Russland oder Japan.
 Deutschland ist das sechstwichtigste Herkunftsland von Direktinvestitionen in die Schweiz: Der Gesamtbestand der deutschen Direktinvestitionen in der Schweiz betrug Ende 2011 28.9 Mrd. CHF.
 Die Schweiz ist der sechstgrösste Auslandsinvestor in Deutschland: Rund 1.900 Unternehmen sind in Deutschland vertreten und sichern über 250.000 Arbeitsplätze.
Liebe Freunde, Sie sehen, es gibt viele Berührungspunkte in der langen Geschichte zwischen Deutschland und der Schweiz. Und wir sind uns ähnlicher, als wir glauben. Eine Gemeinsamkeit ist zum Beispiel auch, dass Schweizer und Deutsche unangefochtene Weltmeister im Schokoladeverbrauch sind: ca.10 kg pro Kopf im Jahr! Im jährlichen Käsekonsum toppen uns die Deutschen sogar mit 22 kg pro Kopf zu vergleichsweise 20 kg. Deutschland und die Schweiz sind zwei Staaten, die von ihren bilateralen Beziehungen, aber auch von den jeweiligen individuellen Stärken profitieren. Die dadurch geschaffenen Synergien tragen zur Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen beider Länder auf den Weltmärkten bei.

Die Schweiz exportieren

Aber lassen Sie mich noch einmal zurückkommen zum Beginn meiner Rede. Wir hatten festgestellt, dass Schweizer und Deutsche nur äusserst rudimentäre Kenntnisse voneinander besitzen, obwohl sie alles übereinander zu wissen glauben. Wir hatten darüberhinaus festgestellt, dass sich beide nicht gerade von ihrer Schokoladenseite präsentieren und eine unzureichende bis schlechte Aussendarstellung im jeweils anderen Land haben. Vor allem wir Schweizer! Wo sind die charismatischen Persönlichkeiten und Sympathieträger in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die für ein positives Image der Schweiz im Ausland sorgen könnten? Natürlich gibt es die, wie überall. Wir haben so viel zu bieten, es gibt so viel, worauf wir Schweizer stolz sein können. Warum zeigen wir das nicht? Trauen wir uns nicht, wollen wir nicht oder wissen wir einfach nicht, wie? Wir Schweizer tendieren dazu, unsere politische, soziale und wirtschaftliche Ordnung für einzigartig zu halten – für etwas, das anderswo nicht nachgebildet werden kann. Nur zu verführerisch scheint für uns Schweizer der Gedanke, unser Land als einzigartige «Insel der Glückseligen» in einem Meer von europäischem Chaos zu sehen. Das ist bedauerlich. Denn die Schweiz täte anderen Ländern einen riesigen Gefallen, würde sie mehr Energie darauf verwenden, ihre politischen und sozialen Errungenschaften im Ausland bekannter zu machen. Und sie täte letztendlich auch sich selbst einen Gefallen. Denn in einem unsicheren geopolitischen Umfeld dient die Verbreitung der eigenen Staatsform als Mittel, die Existenz der Schweiz zu sichern. Und so würde sich erweisen: Der Export erfolgreicher Schweizer Institutionen geschähe mehr aus legitimem Eigeninteresse als aus purem Altruismus. Die Eidgenossenschaft ist ein gelungenes Experiment. Sie zeigt im Kleinen, wie der Prozess der Globalisierung im Grossen funktionieren könnte. Nur müsste sie endlich ihre Ideen und Institutionen aktiv im Ausland bewerben. Eine fragile EU würde davon profitieren.

Gegenseitige Repositionierung

Ich denke, es ist höchste Zeit für ein neues Selbstbewusstsein der Schweiz! Für eine Repositionierung der Schweiz in Deutschland und in Europa. Höchste Zeit, für ein neues Bild der Schweiz in der Welt. Aber dafür können wir nur selbst sorgen. Für den eigenen Minderwertigkeitskomplex kann man die anderen nicht verantwortlich machen. Kommen wir endlich heraus aus unserem selbst gewählten Schneckenhaus und präsentieren wir uns selbstbewusst und zeitgemäss. Denn eines ist gewiss: Europa braucht die Schweiz! Erzählen wir der Welt von uns, lassen wir die Welt teilhaben an dem, was sich bei uns bewährt hat und was gut funktioniert in unserem Land. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union benötigen dringend ein funktionsfähiges Modell für Föderalismus und Demokratie. Sehen wir uns als Ideengeber, als politische, wirtschaftliche und soziale Inspirationsquelle Europas. Wir haben doch wahrlich mehr zu bieten als Deutschland mit einem pubertierenden Superstar auszuhelfen. Auch wenn der Junge als Schweizer KulturBotschafter sicherlich einen guten Job macht und sich in Millionen von weiblichen Teenagerherzen gesungen hat – in Deutschland und in der Schweiz. Institutionen formen Gewohnheiten, und Gewohnheiten schaffen Werte. Besonders die Schweiz leidet wegen ihrer bürgerlichen Werte öfters unter internationalem Gespött – und unter den Folgen des Neids. Verteidiger dieser Werte finden sich leider immer seltener. Doch gibt es auch ihre klugen Verteidiger. Alain de Botton, ein Schweizer Philosoph, der in London lebt, lobt Zürich für seinen spröden Charme: «Die ausgeprägte Lektion dieser Stadt für die Welt liegt in ihrer Fähigkeit, uns daran zu erinnern, wie wahrhaft phantasievoll und menschlich es sein kann, von einer Stadt zu verlangen, dass sie nichts anderes als langweilig und bürgerlich ist.» Diese Ansicht wurde unvergesslich gemacht in Carol Reeds Film «Der dritte Mann»: In den 30 Jahren unter den Borgias hat es nur Krieg gegeben, Terror, Mord und Blut, aber dafür gab es Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance. In der Schweiz herrschte brüderliche Liebe, 500 Jahre Demokratie und Frieden. Europa ist nun in einer Lage, in der es weniger Terror und Blutvergiessen, sondern vielmehr unspektakuläre bürgerliche Normalität braucht. Ausserdem steht die Schweiz ja immerhin beim Einheimsen von Nobelpreisen nach Bevölkerungsanteilen an der Spitze. Warum nicht einfach ein bisschen schweizerischer werden? In Deutschland, Europa und in der Welt. Zu den laufenden Verhandlungen
• Nachhaltige PR- und Lobbyingoffensive in Deutschland unter Einbezug der privatwirtschaftlichen und kulturellen Netzwerke (Wirtschaftsführer, Kulturschaffende, Sportler)
• Veranstaltungen, Think Tanks, Universitäten, Medien
• Übrigens wäre dies auch für andere Länder wichtig.
Doppelbesteuerungsabkommen: Informationsaustausch ist der Weg der Zukunft. Das Bankgeheimnis in der bekannten Form kann nur noch für in der Schweiz wohnende Personen gelten. Luftverkehrsabkommen: Deutschland muss wissen, dass es für die Ablehnung einen – hohen – Preis zahlen muss. Massnahmen in verschiedenen Bereichen, insbesondere Landtransport, Schienenverkehr etc. Harte Haltung wird gerade von Deutschen gut verstanden. Besinnen wir uns auf das, was uns verbindet und nicht auf das, was uns trennt. Einander verstehen und eventuell sogar mögen setzt eine gegenseitige Kenntnis der grossen Stärken und kleinen Schwächen des anderen voraus. Um es in den Worten des französischen Dramatikers Marcel Achard zu sagen: „Nachbarn sind die Prüfungsaufgaben, die uns das Leben stellt.“ Ich wünsche mir, dass auch weiterhin die Schweiz und Deutschland dieser Prüfungsaufgabe gewachsen sind.

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